Butia Ramosch

Ein Dorfladen sorgt für frischen Wind im Bündner Bergdorf Ramosch

Der Dorfladen Butia Ramosch sorgt im Unterengadiner Bergdorf für neues Leben. Dank den Initiativen des Fördervereins «Società Butia Ramosch», der Geschäftsführerin Wanda Hopman und der Gemeinde konnte der Dorfladen gerettet und für die Zukunft gerüstet werden. Entstanden ist ein vielseitiger Begegnungsort für Einheimische und Touristen.

Das Projekt in Kürze

  • Dorfladen mit Gastronomieangebot und Poststelle
  • Fünf Teilzeitangestellte, insgesamt 3,2 Stellenprozente
  • Ramosch/GR

Arbeiter in orange leuchtenden Kleidern machen gerade Pause, pensionierte Dorfbewohner sind in lebhafte Gespräche verwickelt und Kinder toben in der Spielecke herum, während ihre Eltern gemütlich Kaffee trinken: Es ist Znüni-Zeit und somit Hochbetrieb im Bistro in der Butia Ramosch im Unterengadin im Kanton Graubünden. Mittendrin und in ein lebhaftes Gespräch vertieft ist auch Cla Nogler vom Förderverein «Società Butia Ramosch». «Es tut richtig gut zu sehen, wie lebhaft es hier ist», sagt der 66-jährige. Bis es soweit war, musste Cla allerdings mit dem Förderverein einige Hürden überwinden. Denn 2019 beschloss die vorherige Betreiberfamilie, dass sie den Betrieb des Dorfladens nach 30 Jahren aufgeben möchten. Für Cla, der in Ramosch geboren und aufgewachsen ist, war schnell klar, dass etwas unternommen werden muss: «Wir wussten, dass wir schnell eine Nachfolgelösung ausarbeiten müssen. Denn: Wenn der Dorfladen einmal weg ist, dann kommt er nicht mehr zurück». Er tat sich mit anderen aus dem Dorf zusammen. Verschiedene Möglichkeiten wurden geprüft, Beispiele angeschaut, wie es andere Dorfläden machen. Etwas spürten sie aber schnell: «Die Dorfbewohner standen zu 100 Prozent hinter uns», sagt Cla. Somit gründeten sie den Förderverein «Società Butia Ramosch», mit dessen Mitgliederbeiträgen der neue Dorfladen beim Entrichten der Miete unterstützt werden soll. Der Dorfladen konnte somit fürs Erste gerettet werden. Doch dann kam ein weiteres Problem dazu: Der Vermieter des Lokals, in dem der Dorfladen 30 Jahre lang untergebracht war, wollte nicht mehr. Ein neues Lokal musste her, und mithilfe der Gemeinde wurde im Schnellverfahren ein neues Gebäude mitten im Dorf erstellt. «Im Nachhinein ist es ein Glück, dass wir nicht bleiben konnten. Denn jetzt haben wir tolle Räumlichkeiten an bester Lage», sagt Cla.

Entscheid aus dem Bauch heraus

Der neue Dorfladen im Zentrum von Ramosch besteht aus einem Lebensmittelladen, dem Bistro Café Plazzin, einer Poststelle und einem Informationszentrum für Touristen. Für den Betrieb der Butia Ramosch ist Wanda Hopman zuständig. Die gebürtige Holländerin führte vorher 30 Jahre lang das Hotel Val Sinestra im gleichnamigen Seitental. «Als es hiess, dass der Dorfladen in Ramosch eine neue Geschäftsleitung braucht, dachte ich mir ‹Das könnte ich doch machen›. Die Entscheidung kam innert Sekunden aus dem Bauch heraus. An die Folgen dachte ich noch nicht», lacht Wanda. Doch das Risiko hat sich gelohnt. Mit dem Umzug vom alten in das neue Lokal kann Wanda ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Sie versucht, möglichst viele regionale Produkte ins Sortiment aufzunehmen und sorgt dafür, dass auch die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner ihre handgemachten Produkte wie Schmuck oder Selbstgenähtes m Laden verkaufen dürfen. Während der Ladenöffnungszeiten servieren Wanda und ihre insgesamt fünf Mitarbeiterinnen, alle aus Ramosch selber, jeweils eine Auswahl an kleinen Gerichten. Und zwei Mal pro Woche steht Wanda selber in der Küche und kocht im Bistro auf Voranmeldung ein Mittagsmenü.

  • «Man spürt richtig, mit wieviel Leidenschaft und Engagement sich Wanda und der Förderverein für den Dorfladen einsetzen. Ein Vorzeigeprojekt, das frischen Wind nach Ramosch bringt und wertvolle Arbeitsplätze schafft.»

    Jury-Mitglied Beatrice Zanella

«Ein Dorf ohne Dorfladen ist wie ein Dorf ohne Seele»

Im Dorf Ramosch gibt es mittlerweile keine öffentlichen Restaurants mehr. Die Butia Ramosch mit ihrem Bistro ist das einzige Lokal, wo Einheimische oder Touristen einkehren können. Für die Gemeinde war auch deshalb klar, dass dieses Projekt unterstützt werden muss. «Ein Dorf ohne Dorfladen ist wie ein Dorf ohne Seele», findet Victor Peer, Gemeindepräsident von Valsot und fügt an, dass es im Dorf kein passendes, bestehendes Lokal gegeben habe, wo der Dorfladen hätte untergebracht werden können. «Deshalb kamen wir auf die Idee, ein neues Lokal zu bauen». Der Plan, neben dem ehemaligen Schulhaus an bester Lage ein Gebäude zu errichten, in das der Dorfladen einziehen soll, wurde an der Gemeindeversammlung gutgeheissen. «Das sind die Gründe, warum das Projekt funktioniert. Die Gemeinde macht mit, wir haben einen Förderverein, der von der Bevölkerung getragen wird und Wanda als Geschäftsführerin macht einen super Job», sagt Viktor. Eine Erfolgsgeschichte, die dazu motiviert, neue Ideen umzusetzen. «Neu haben wir jeweils am Freitagabend den Laden bis 21 Uhr und das Bistro bis 24 Uhr geöffnet», sagt Wanda. Denn am Freitagabend ist immer Probe des einheimischen Musikvereins. Statt nach der Probe nach Hause zu gehen, treffen sich nun alle noch im Café Plazzin zu einem geselligen Schlummertrunk.

Text: Lukas Ziegler
Bilder: Max Hugelshofer
Video: Daniel Farrèr

Erschienen im Juli 2024