Kartoffelernte auf dem Hof von Las Sorts im Albulatal

Bio Bergkartoffeln aus dem Albulatal

Familie Heinrich baut auf ihrem Hof 32 Sorten Kartoffeln an, deren Aromen so unterschiedlich sind wie ihr Aussehen. Zusammen mit Genusstrainer Freddy Christandl haben sie es geschafft, Spitzengastronomen und Hobbyköche für Sorten wie Parli oder Röseler zu begeistern.

Die meisten Menschen kennen zwei Arten von Kartoffeln – mehlig- oder festkochende. Meistens ist die einzige Entscheidungsgrundlage zwischen den beiden das gewünschte Gericht: Mache ich heute Kartoffelsalat oder Kartoffelstock? Marcel und Sabina Heinrich aus Filisur im Albulatal bringen Farbe in den Kartoffeleinheitsbrei. 2001 übernahmen sie den Hof Las Sorts von Marcels Vater. Dieser hatte bereits handelsübliche Kartoffelsorten angebaut. Als jedoch der Preis stetig sank, beschlossen Marcel und Sabina, dass sich etwas ändern musste. Der erste Versuch mit untypischen Kartoffelsorten begann mit einer Handvoll Pro Specie Rara-Saatgut. Die Pflanzen gediehen gut und Heinrichs bauten mehr davon an. Doch die Ernteerfolge wurde gedämpft durch Schwierigkeiten beim Verkauf und der Vermarktung grösserer Mengen. „Der Kartoffelanbau im Berggebiet ist etwas vom anspruchsvollsten, was man sich vorstellen kann“, sagt Marcel Heinrich. „Am Ende hatten wir einfach keine Energie mehr, uns auch noch um professionelle Vermarktung zu kümmern.“ Fast hätten Heinrichs aufgegeben und den Verkauf der Kartoffeln auf ihr Hoflädeli reduziert. Freddy Christandl, heute Genusstrainer, damals punktedekorierter Spitzenkoch, wurde 2005 am Hoffest der Heinrichs zum ersten Mal auf die Bergkartoffeln aufmerksam. Er hatte einige Kilo gekauft und wie normale Kartoffeln verarbeitet. Dabei fiel ihm auf, wie sehr sich diese Kartoffeln von den üblichen Sorten unterschieden. Völlig andere Kocheigenschaften und Aromen von Marroni und Nüssen begeisterten den Gastronomen. Als er von den Problemen von Marcel und Sabina Heinrich erfuhr, beschloss er zu handeln und kaufte ihnen kurzerhand zweieinhalb Tonnen ab. „Ich konnte unmöglich zulassen, dass Marcel und Sabina aufhören, diese unglaublichen Kartoffeln anzubauen“, sagt Freddy. Als nächstes klapperte er die Kontakte aus seiner Zeit als Koch ab und begann, die Kartoffeln aus seiner Garage auszuliefern.

Das Projekt in Kürze

  • Nominiert 2014
  • Landwirtschaftsbetrieb
  • Absatzkanäle: Gastronomie und Privatkunden
  • Filisur/GR

Alte Sorten sind nicht pflegeleichter

Die Gastronomen liessen sich von Freddys Begeisterung anstecken. Rund 70 Gastrobetriebe und Wiederverkäufer werden heute beliefert und auch viele Privatkunden bestellen die eigenwilligen Kartoffeln. Heinrichs bauen 32 Sorten Kartoffeln an und ernten pro Jahr rund 70 Tonnen. Sie erwirtschaften sich damit einen Grossteil ihres Einkommens und haben sich viel neues Wissen angeeignet. Denn die alten Sorten sind nicht etwa robuster als die handelsüblichen. Auf einige mussten Sabina und Marcel schweren Herzens verzichten. Doch durch Diversität sichern sich die beiden ab. „Irgendeine Sorte macht immer Probleme, beispielsweise fault sie wenn es aussergewöhnlich viel regnet“, sagt Marcel Heinrich. „Aber dann haben wir ja immer noch 31 gesunde Sorten.“

Der Geschmack von Marroni oder Artischocken

Der Anbau im Berggebiet bringt Vorteile. Die steinigen Böden speichern Wärme, so überleben die Pflanzen auch Kälteperioden. Dadurch, dass in Filisur neben Heinrichs kaum andere Landwirte Kartoffeln anbauen, verringert sich zudem die Gefahr, dass Krankheiten übertragen werden. Entscheidend aber ist der intensive Geschmack. „Eine Parli beispielsweise schmeckt gebraten nach Marroni, gekocht jedoch, erinnert ihr Duft an Artischocken“, erklärt Freddy Christandl. „Die blaue Ludiana, deren Fleisch, wie der Name schon andeutet, dunkelblau ist, hat ein nussiges, leicht erdiges Aroma.“ Freddy und Familie Heinrich haben es zudem geschafft, das Problem der Logistik zu lösen. Das Konzept nennt sich Kartoffeltaxi. Pendler nehmen auf ihrem Arbeitsweg Kartoffeln mit nach Zürich und bringen diese zum Empfänger. So kommen jährlich drei Tonnen zu Privatkunden. Und auch für die Gastronomie wurde 2012 mit dem Kartoffeltaxi gestartet, im ersten Jahr wurden so 15 Tonnen verteilt, diese Saison sollen es 35 Tonnen werden. Gemeinsam haben Freddy Christandl, Marcel und Sabina Heinrich der Kartoffel einen Stellenwert zurückgegeben. „Wir zeigen mit den Bergkartoffeln, dass ehrlich und nachhaltig produzierte Lebensmittel erfolgreich sein können“, sagt Marcel Heinrich.

Bilder: Bio Bergkartoffeln aus dem Albulatal

Erschienen im Juli 2014