Blick von oben aufs Seminarhotel Lihn in Filzbach

Seminarhotel Lihn

Vom Lihn in Filzbach im Kanton Glarus blickt der Gast auf den Walensee und eine eindrückliche Bergkulisse. Hier ist aus einem einfachen Gästehaus mit sozialem Engagement ein professionell betriebenes Seminarhotel geworden.

Hoch über dem Walensee auf 682 Meter über Meer gelegen, blickt der Gast auf die imposante Bergkulisse mit dem Leistchamm im Norden und den Mürtschenstock im Süden. Unbemerkt bleibt der Verkehr, der tief im Berg im Autobahntunnel fährt. An ruhiger, beeindruckender Panoramalage thront das Hotel auf dem Kerenzerberg – die richtige Atmosphäre für gelungene Seminare. Im Jahr 1929 eröffnete die Genossenschaft sozial-diakonischer Werke (GsdW) das Lihn als einfaches Ferienheim für Jugendliche und junge Erwachsene aus Alkoholikerfamilien. Mit der Zeit übernachteten im Lihn aber immer mehr andere Gruppen und es wurde nach und nach als Hotel und für Seminare genutzt. Die Übernachtungen nahmen stetig zu, alle rund 20 Jahre wurde das Zentrum erweitert. Auch das soziale Engagement wurde ausgebaut, es kamen weitere Therapieplätze und später Wohngruppen hinzu, deren Mitglieder in der 1991 gebauten Institution „Menzihuus“ leben und für den Hotelbetrieb arbeiten. Die Infrastruktur der ganzen Anlage wurde über die Jahrzehnte hinweg immer wieder den veränderten Bedürfnissen angepasst, bis sich die GsdW 2004 – im Rahmen ihres 75-Jahre-Jubiläums – Gedanken über die langfristige Zukunft des Lihns machte.

Das Projekt in Kürze

  • Nominiert 2015
  • Seminarhotel
  • 16 Lehrstellen für Menschen mit Beeinträchtigungen
  • Filzbach/GL

Seminarhotel statt Gemischtwarenladen

Die Herausforderungen waren gross: Das Lihn muss im hart umkämpften touristischen Markt zumindest kostendeckend arbeiten, und der soziale Betrieb soll in gewohnter Manier weitergeführt werden. Doch auf welche Gäste sollte man sich konzentrieren? Auf die Jugendgruppen, die Feriengäste oder die Seminare? Hannes Hochuli, Hotelier im Lihn seit 1995, begleitete und prägte diesen langen Findungsprozess. Eine klare Positionierung als Dienstleister für Seminare war eines der diskutierten Szenarien. „Wir sind nicht weit weg von den wirtschaftlichen Zentren wie Zürich oder St. Gallen“, sagt Hochuli. „Gleichzeitig ist die Nachfrage nach guten Seminarhotels intakt“. Nach einer langen und intensiven Evaluations- und Planungsphase entschieden sich die Genossenschafter schliesslich für die Flucht nach vorn und wagten den Schritt in die neue Zukunft als „Seminarhotel Lihn“.

Erfolgreich, trotzdem sozial engagiert

Das Lihn wurde 2011 sanft renoviert und um 14 Hotelzimmer mit Seesicht sowie einen weiteren Plenarsaal erweitert. Im gleichen Jahr wurde es als Seminarhotel wiedereröffnet, ein Jahr später kam das neue Panoramarestaurant hinzu. „Der zusätzliche Saal und das Restaurant geben uns mehr Spielraum, wir können so mehrere grosse Gruppen gleichzeitig beherbergen,“ sagt Hannes Hochuli. Das atemberaubende Bergpanorama ist gekonnt in Szene gesetzt – sei es im Restaurant mit seiner grossen Aussichtsterasse oder im umgebauten Hotel. „Unsere Zimmer brauchen keine Bilder an der Wand“, sagt Hochuli. „Der Blick aus dem Fenster genügt völlig.“ Die Neuausrichtung zahlt sich aus. Viele Firmen und Organisationen kommen nach Filzbach, um Seminare und Workshops abzuhalten. Und auch viele Vereine wie beispielsweise Laienchöre oder Theatergruppen schätzen die Infrastruktur und die ausgezeichnete Qualität der Dienstleistungen. Hannes Hochuli: „Es läuft sehr gut, wir sind selbst etwas vom Erfolg überrascht.“ Das Soziale jedoch blieb auch mit der Neuausrichtung eine wichtige Aufgabe. Das Lihn bietet 16 Lehrstellen für junge Menschen, für die es wegen schwierigen Lebenssituationen, Lernproblemen oder körperlichen Beeinträchtigungen schwer gewesen wäre, auf dem freien Arbeitsmarkt einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden. Das sind aber nicht, wie man denken mag, „geschützte“ Arbeitsplätze. Die Lernenenden arbeiten Tag für Tag an der Front und haben regen Kontakt mit den Gästen. „Wir haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch. Das soll der Gast immer spüren“, sagt Hochuli. An der Preisverleihung des Prix Montagne am 1. September in Bern wird Hotelier Hannes Hochuli zum letzten Mal in Sachen Lihn unterwegs sein. Nach 20 intensiven Jahren wird er die Führung seinem Nachfolger übergeben. Bevor er sich nach einer neuen Aufgabe umsieht, will er sich eine Auszeit nehmen, zu Fuss bis nach Mailand kommen und dann verschiedene Länder bereisen. „Ich nehme auf meinem Weg über die Alpen mein Telefon mit“, sagt er schmunzelnd. „Damit ich für das Lihn-Team noch einen Moment lang erreichbar bin.“

Bilder: zvg

Erschienen im Juli 2015