Ein Orchester beim Spiel am Musikfestival in Ernen.

Musikdorf Ernen

Das Festival Musikdorf Ernen ist in den letzten 40 Jahren zu einem Treffpunkt von Künstlern und Musikliebhabern aus aller Welt geworden. Während sechs Wochen finden jeweils musikalische und literarische Veranstaltungen wie die Barockwoche unter der künstlerischen Leitung von Ada Pesch oder das Schreibseminar von Donna Leon statt.

Begonnen hat alles 1972 mit einem Besuch des renommierten ungarischen Pianisten György Sebök im kleinen Walliser Bergdorf Ernen. Sebök fühlte sich wohl im Goms, wo niemand einen grossen Rummel um seine Person machte. Und so wählte er Ernen als Durchführungsort für seine jährlichen Meisterkurse. 1974 begann Sebök mit der Nachwuchs-förderung durch Kurse in Klavier und Kammermusik, begleitet von drei öffentlichen Konzerten. „Es begann alles sehr handgestrickt“, sagt Francesco Walter, der Intendant des Festival Musikdorf Ernen. „Der erste Meisterkurs hatte elf Teilnehmer und war ein finanzielles Fiasko. Aber schon beim zweiten Mal kamen 40 Musiker und Musikerinnen. Die Anziehungskraft Seböks war unglaublich.“ Um die Musik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, wurde 1987 die Anzahl Konzerte auf acht erweitert. „Sebök wollte durch das Festival sowohl die Zukunft der Klassik, als auch die der jungen Musiker mitgestalten“, so Walter.

Das Projekt in Kürze

  • Gewinner 2013
  • Musikfestival
  • 70 Künstlerinnen und Künstler
  • Ernen/VS

Einzigartiger Werkstattcharakter

Als Sebök 1999 unerwartet starb, fielen die Erner aus allen Wolken. Sebök hatte die Meisterkurse auf eigene Rechnung durchgeführt und über sein grosses Netzwerk viele Musiker nach Ernen geholt. „Wir hatten bei weitem nicht die Mittel, um die Gagen grosser Künstler zu bezahlen“, erklärt Francesco Walter. „Aber Sebök hatte einen Samen in Ernen gepflanzt. Das ganze Dorf half dabei, das Festival Musikdorf Ernen am Leben zu erhalten.“ Die Erner beschlossen, das Festival auszuweiten und zu professionalisieren. 2004 wurde die Dauer von zwei auf vier Wochen verlängert und eine 50 Prozent Stelle für die Intendanz geschaffen. Dass das Festival Musikdorf Ernen trotz Seböks Fehlen zum Erfolg wurde, liegt auch am besonderen Charme des Festivals, das vom Austausch zwischen Künstlern und Publikum lebt. „Der Werkstattcharakter des Festival Musikdorf Ernen ist einzigartig. Wir Künstler können unserer Kreativität freien Lauf lassen und haben die Gelegenheit, mit Kollegen und Publikum zu fachsimpeln“, schwärmt Ada Pesch, die künstlerische Leiterin der Barockwochen.


Krimi trifft auf Klassik

Heute dauert das Festival sechs Wochen und beinhaltet neben Kammermusik-, Klavier-, Jazz-, Orchester- und Barockkonzerten auch ein Schreibseminar mit der berühmten Krimiautorin Donna Leon, eine Biographie-Werkstatt und Lesungen. Die Besucher schätzen die Ergänzung durch literarische Veranstaltungen, die Abwechslung führt auch zu längeren Aufenthalten. Dieses Jahr wurden bereits 5453 Eintrittskarten verkauft, das entspricht einer Verdoppelung seit 2005. Die Gäste erfreuen sich an der Kombination aus Natur, Musik und kulinarischem Genuss. Sie essen und trinken in lokalen Restaurants, kaufen Lebensmittel und Walliser Spezialitäten, machen Ausflüge und buchen Hotels oder Wohnungen. Auch die Musikerinnen kommen aus aller Welt mit ihren Familien und geniessen die Ferien in Ernen. „2013 kamen 70 Künstlerinnen und Künstler, die von insgesamt 23 Partnern und Kindern begleitet wurden“, rechnet Francesco Walter vor. „Jeder Erwachsene gibt täglich etwa 150 Franken in Ernen aus. Das Musikdorf fördert die lokale Wirtschaft und den Tourismus während der Sommermonate.“ Ein so kleines Dorf wie Ernen kann dieses Festival nur stemmen, wenn alle mithelfen. Neben den zwei festangestellten Mitarbeitern, sechs Angestellten im Mandatsverhältnis, den Künstlerinnen und Künstlern und vier Mitarbeitern während der Musikwochen kann das Festival auf die Hilfe vieler Freiwilliger aus Ernen und der Region zählen. Die Musiker kommen oft bei Familien aus Ernen unter. So entstehen Freundschaften und tiefe Bindungen. „Ich kenne Künstler, die haben vor fast vierzig Jahren als junge Musiker die Meisterkurse von Sebök besucht. Heute kommen sie noch immer, begleitet von ihren Enkelkindern“, sagt Francesco Walter.

Bilder: zvg

Publiccato a luglio 2013

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